Zum Titel
„SIE und BOB“ ist ein Doppelroman von Helle Helle, der in dieser Kombination erstmals in deutscher Übersetzung erscheint. Die einzelnen Romane „de“ (2018) und „BOB“ (2021) wurden aus dem Dänischen von Flora Fink übersetzt und gemeinsam 2022 im Dörlemann Verlag veröffentlicht.
Das Buch ist ein eckiges Hardcover mit Lesebändchen und umfasst insgesamt 347 Seiten.
Das Buch hat mir der Verlag als persönliches Leseexemplar zugesandt.
Zum Inhalt „SIE“ - ihre Namen werden nicht erwähnt - sind Mutter und Tochter. Die Jugend der Tochter, das Aufwachsen in den 1980ern und die Schulzeit auf dem Gymnasium stehen unter dem Einfluss einer schweren Krankheit der Mutter. „BOB“ tritt bereits im ersten Teil des Buches als Nebenfigur auf, im zweiten Roman ist er die Hauptfigur. Erzählerin ist die mittlerweile erwachsene Tochter aus "SIE". Bob findet sich schwer im Leben zurecht, er kann nicht gut allein sein, kämpft mit Perspektivlosigkeit. Einzig Straßennamen scheinen ihm Halt zu geben, unterwegs zu sein ohne ankommen zu müssen. Rezension Ich muss zugeben, ich habe einige Seiten gebraucht, um mich einzufinden. Der Sprachklang und Rhythmus sind sehr ungewohnt. Ein bisschen fühlte ich mich an "Homo Faber" erinnert oder auch "Der Fremde". Die distanzierte Schreibweise der dänischen Schriftstellerin Helle Helle enthält kein Wort zu viel, kaum Adjektive, keinerlei Bildhaftigkeit. Die beiden Romane, die in einem Abstand von 3 Jahren veröffentlicht wurden, lesen sich oberflächlich betrachtet wie ein Bericht. Es ist ganz sicher nicht so, dass die Autorin nicht in der Lage gewesen wäre, emotionaler zu schreiben, die tonlose Art ist vielmehr Stilmittel, eine Kunstform. Beide Geschichten sind Beziehungsstudien ausgehend von derselben Person - nämlich der jungen Frau, die einmal Tochter, einmal Lebensgefährtin ist. Sie tritt einerseits durch den Erzählstil in den Hintergrund, spielt vor allem in "BOB" keine Hauptrolle, andererseits ist sie hier die allwissende Erzählerin, was sie noch unbeteiligter erscheinen lässt. Die Erzählperspektive erscheint sehr diffus, generell erscheinen die Romane bruchstückhaft und vage, die ProtagonistInnen bleiben schemenhaft wie alles, der schmucklosen Sprache wegen. Eine Handlung ist in beiden Teilen des Buches da, sie verliert sich jedoch, tritt hinter der Stimmung in den Hintergrund. „SIE und BOB“ ist ein besonderes Leseerlebnis gewesen. Die Sprache ist nicht spröde, sie gefällt mir sogar sehr. Helle Helle schreibt nur einfach kein Wort zu viel. Nachdem ich mich eingewöhnt hatte, empfand ich es als sehr angenehm lesbar, kurzweilig und interessant. Kein Pageturner, soweit will ich nicht gehen, aber ich habe es gerne gelesen, weil es eigensinnig war.
Der Minimalismus ist Sinnbild für die Wortlosigkeit zwischen Mutter und Tochter im ersten Teil und die Banalität der Beziehung zu Bob im zweiten Teil. Das episodenhafte Erzählen spiegelt die Orientierungslosigkeit aller Figuren wider.
Insgesamt fand ich es stimmig und passend, auf den Punkt konzentriert und eine wahre Literaturperle.
Zum Verlag
Über den Dörlemann Verlag habe ich bereits berichtet, lest gerne meine weiteren Rezensionen aus diesem wunderbaren Verlag!
Besonders hervorheben möchte ich bei dieser Gelegenheit, dass beim Dörlemann Verlag die Namen der ÜbersetzerInnen direkt auf dem Cover genannt werden und so die - auch bei "SIE und BOB" wieder auffallend hervorragende Arbeit - gebührend gewürdigt wird.
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