Zum Titel
Der Roman „Mit Elfriede durch die Hölle“ von Katharina Tiwald wurde 2021 in Österreich veröffentlicht. Das Buch aus dem Milena Verlag umfasst 234 Seiten trägt ein Lesebändchen und einen Schutzumschlag.
Der Verlag hat mir das Buch als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.
Zum Inhalt Eigentlich möchte Katharina Tiwald - ja, das ist die Autorin, die sich hier selbst in die Hauptrolle geschrieben hat - ab in die Sonne. Auf dem Weg zum Wiener Flughafen Schwechat wird sie von der österreichischen Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek aufgegabelt, für die sie große Bewunderung hegt. Diese Begegnung ist mitnichten zufällig, Frau Tiwald wurde für ein Stipendium für SchriftstellerInnen ausgewählt. Die Österreichische Gesellschaft für Literatur hat keine Kosten und Mühen gescheut und am besagten Flughafen eine Kulisse der besonderen Art aufgebaut. Nichts Geringeres als die Hölle nach Dante Alighieri will durchschritten werden. Und weil auch dieser in der „Göttlichen Komödie" nicht alleingelassen wandelte, wird auch Katharina Tiwald nicht ungeleit gehen gelassen. Ihre Fremdenführerin und Mentorin ist Elfriede Jelinek.
Rezension Zufällig habe ich Anfang des Jahres die „Göttliche Komödie" gelesen. Ein 700 Jahre altes, beeindruckendes Werk. Es ist in einer ungewöhnlichen Versform verfasst. Das erste Drittel, die Hölle, umfasst 34 Gesänge, eine Art Kapitel. Vor Beginn der Geschichte wird man darauf hingewiesen, dass sich „Mit Elfriede durch die Hölle" an Dantes Werk orientiert und es das Verständnis und den Lesegenuss positiv beeinflusst, wenn man sich kundig darüber macht. Dies ist im Anschluss an den Roman möglich, wo jeder der 34 Gesänge zusammengefasst wird. In der Tat habe ich wohl von der vorherigen Lektüre profitiert, denn inhaltlich ist es tatsächlich die Hölle. Es ist sprunghaft, teils unlogisch, aber wenn man „La Comedia" kennt, ist man nicht sonderlich irritiert. Es ist tatsächlich eine absolut erstaunliche Neuinterpretation.
Wen würde man heute in den Kreisen der Hölle antreffen? Da sind einige bekannte Gesichter dabei, aus Film und Fernsehen, Wirtschaft, Religion, aber auch aus der Literatur. Einfach großartig, wie Katharina Tiwald einerseits Dantes Werk Wertschätzung zollt, andererseits eine Hommage an Elfriede Jelinek zum 75. Geburtstag verfasst hat und aus beidem einen Roman macht, der spitzzüngig und unterhaltsam ihr eigenes Können zur Schau stellt. Wie in der Ich-Erzählung von Dante kommt auch hier (statt in Gestalt des Dichters Vergil eben mit Elfriede) eine zweite Ebene ins Spiel, ein regulierendes Element, ein Wegweiser. Ein, wie ich finde, genialer Schachzug.
Auch sprachlich ist dieser Roman anspruchsvoll. Wenn man sich als LeserIn nicht mit Versen herumschlagen muss, so erfordert die Lektüre trotzdem einen wachen Geist. Die Autorin spielt mit Worten, mit Sätzen und Zitaten, dass es eine große Freude ist. Das Buch ist experimentell und einfach fordernd. Nicht selten wird österreichischer Dialekt verwendet, was mich, die ich sowas echt hasse, komischerweise nicht gestört hat, auch das wurde passgenau eingefügt, mal humorvoll aber auch als Charakteristika. Kam für mich authentisch rüber, war für mich als hochdeutsch-Sprechende nur wie gesagt erhöhte Aufmerksamkeitsstufe. Dieses Buch ist leider grausam. In der Hölle bekommen nun mal die schlimmsten Menschen die Quittung für ihre Vergehen. Das ist teils übel, daher muss ich eine Triggerwarnung aussprechen. Gewaltverbrechen aller Art spielen hier eine Rolle. Es wird knietief in Knochen und Blut gewatet - wie beim 700 Jahre alten Vorbild auch. Das ist nicht angenehm zu lesen. Dieses Buch ist nicht angenehm. Es ist kein witziges Buch, auch wenn es durchaus herrlichen Humor zeigt. Doch insgesamt ist es böse und sarkastisch, es zeigt mit dem Finger von Elfriede Jelinek auf alles Widerliche in der Welt und nimmt stellvertretend für Autoren und Autorinnen Frau Tiwald in die Pflicht, literarisch anzuprangern und herauszufordern, unbequem zu sein und der Ungerechtigkeit die Hölle heiß zu machen. Ich spreche eine große Leseempfehlung aus. Für alle, die die literarische Unbequemlichkeit und Herausforderung suchen, die Dantes Hölle mochten oder Elfriede Jelinek verehren. Es ist unheimlich gut konstruiert und in seiner Art wohl einzigartig.
Zum Verlag Der Milena Verlag wurde 1980 in Wien gegründet. Nachdem zunächst die Förderung von Autorinnen und von feministischer Literatur und Wissenschaft im Vordergrund stand, wurde 2007 das Konzept geändert und das Verlagsprogramm erweitert. Der Verlag wollte mit Büchern begeistern, die neue Erkenntnisse bescheren. Gute Geschichten ohne Schönfärberei sollten zu Papier gebracht werden. Seitdem ist Milena bekannt für zeitgenössische nationale und internationale Belletristik, Satire, zeitgeschichtliche Werke, Werke der klassischen Weltliteratur und Sachbücher - gerichtet an Lesende mit unterschiedlichsten Lesebedürfnissen.
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