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AutorenbildJulia Moldenhauer

Empathisch - Sensibel - Warmherzig



Zum Titel


Der Roman „Oben Erde, unten Himmel“ von Milena Michiko Flašar wurde im Februar 2023 im Verlag Klaus Wagenbach veröffentlicht. Das Buch ist ein Hardcover, trägt einen Schutzumschlag und umfasst 297 Seiten.



Zum Inhalt


Als sie ihren Job verliert und sich bei Herrn Sakai auf eine Stelle bewirbt, weiß die junge, alleinstehende Suzu nicht genau, für welche Art Arbeit sie sich da eigentlich genau beworben hat. Sie ist nicht anspruchsvoll, aber Kundenkontakt liegt ihr nicht wirklich. Ein Sozialleben hat sie nicht und sogar ihr Hamster geht ihr neuerdings aus dem Weg. Am besten wäre eine Putzstelle und tatsächlich hat es etwas mit Putzen zu tun, denn Herr Sakai führt eine Firma, die die Wohnungen von Verstorbenen wieder in einen vermietbaren Zustand versetzt. Die Besonderheit: es handelt sich um Kodokusha, einsam Verstorbene, was bedeutet, dass diese teils eine Weile in den Wohnungen gelegen haben und richtig was zu tun ist, von der Auseinandersetzung mit dem Tod ganz zu schweigen.

Suzu nimmt, nachdem sich der erste Schreck gelegt hat, die Stelle an, ebenso Takada, was die Eigenbrötler ab sofort zu Kollegen macht. Herr Sakai setzt auf Teamwork und Fürsorge untereinander, soll doch keiner der soziophoben Bediensteten mal so enden wie die Klienten.



Rezension


In den bisherigen, teils mehrfach ausgezeichneten Romanen der österreichischen Schriftstellerin Milena Michiko Flašar spielt Japan, das Herkunftsland ihrer Mutter, oft eine Rolle, so auch in diesem Roman. Das Wohnkonzept Japans in den Großstädten sorgt seit den 1980ern für zunehmende Anonymität, man muss mittlerweile nicht mal mehr zum Einkaufen das Haus verlassen. Was bequem klingt führte schleichend zur sozialen Isolation, vor allem von Älteren. Während Corona verstärkte sich diese Entwicklung durch Ausgangssperren weiter, aber auch vorher schon litt ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung an Sozialphobien – durch mangelnde Übung, mangelnde Kontakte.


Kann ein Buch, in dem es um einsames Sterben geht, ein schönes Buch sein? Und wie schön es ist. Herzlich, humorvoll und nah, mit greifbaren, sympathischen Figuren. Es ist eine recht simple Geschichte, mit unter 300 Seiten nicht sehr lang, die Schrift angenehm groß, die Sprache zart und weich und ehrlich. Es lässt sich so wunderbar lesen.

Das Thema ist ernst und es ist wichtig. In Japan gibt es für das Sterben in Einsamkeit einen eigenen Begriff – Kodokushi. Dies ist das Schicksal, das möglicherweise auch Suzu droht. Sie lebt allein mit einem Hamster, zu langen Beziehungen haben die Kontakte über soziale Medien und Dating-Apps bisher nicht geführt. Freunde hat sie keine, ihre Eltern wohnen etwas entfernt von ihr, erwarten berufliche wie private Erfolge. Doch der neue Job ändert Vieles.

Herr Sakai, Suzus neuer Chef, ist wunderbar, man schließt ihn sofort ins Herz. Ihm ist menschlicher Kontakt und Gemeinschaft wichtig, achtsam sein mit sich und anderen und das erwartet er auch von den verdatterten neuen Angestellten, weshalb er bald ein Sommerfest organisiert. Die Firma soll eine große, glückliche Familie sein. Allmählich finden sich Suzu und Takada im Job ein, meistern die Herausforderung der engen Zusammenarbeit. Was anfangs ein Nachahmen der Rituale Sakais während der Reinigung der Wohnungen und im Umgang mit den persönlichen Gegenständen der Kodokusha ist, geht ihnen zunehmend in Herz und Verstand über.

Dieses wunderbare Buch hat eine ganz tiefe und anrührende Bedeutung. Es öffnet einem die Augen, so wie Suzu die Augen die Augen geöffnet werden. Gehe achtsam mit den Menschen in deinem Umfeld um. Bleibe Aufmerksam, biete Hilfe an. Bitte selbst um Hilfe. Hab Respekt vor deinen Mitmenschen, den Lebenden und den Toten, irgendjemandem bedeuten sie viel. Hinterlasse etwas im Leben anderer.

Etwas Melancholie schwingt zwischen den Zeilen mit, das bleibt nicht aus. Doch es ist bei alldem auch hoffnungsvoll und humorvoll und lebensfroh, es zaubert einem ein Lächeln aufs Gesicht.



Zum Verlag


Der Verlag Klaus Wagenbach wurde 1964 in Berlin gegründet. Er definiert sich über seine Unabhängigkeit, die ein Programm ermöglicht, in dem unbekannte AutorInnen und ungedachte Gedanken veröffentlicht werden können. Die Schwerpunkte Literatur, Politik, Kunst- und Kulturgeschichte werden vorwiegend aus dem Italienischen, dem Englischen oder Französischen übersetzt, oder wurden auf Deutsch verfasst. Gedruckt wird in Deutschland.

Der Verlag veröffentlich noch heute nach den einst festgeschriebenen Grundsätzen, in denen – unter anderem - Inhalt vor Profit gesetzt wird und den Schriftstellerinnen und Schriftstellern maximales Mitspracherecht zugesichert wird.

Klein, aber fein, der Wagenbach Verlag.

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