Zum Titel
„Das Gesicht des Krieges“ von Martha Gellhorn wurde 1959 erstmals unter dem Titel "The Face of War“ veröffentlicht. Die vorliegende Ausgabe basiert auf der revidierten Ausgabe von 1988 und erschien 2012 im Dörlemann Verlag. Das Buch umfasst 567 Seiten und wurde von Hans-Ulrich Möhring aus dem Amerikanischen übersetzt.
Zur besonderen Ausstattung gehören der Leineneinband mit Fotografie auf dem Cover und ein Lesebändchen.
Das Buch habe ich mir im Februar 2022 aufgrund der weltpolitischen Lage gekauft.
Zum Inhalt
Dieses Buch umfasst die Aufzeichnungen Martha Gellhorns aus den Jahren 1937 – 1987, während derer sie als Kriegsreporterin im Alter von 28 Jahren bis sie 79 Jahre alt wurde auf allen Kontinenten unterwegs war, immer nah am Kampfgeschehen. Ihre Reportagen hat sie mehrfach überarbeitet, hier liegen sie chronologisch geordnet als Gesamtwerk vor.
Rezension
Als ich das Buch in den Händen hielt, war ich etwas eingeschüchtert. Fast 600 Seiten Kriegsberichte.. Aber ich wollte mich diesem Thema auf eine andere Art nähern, als durch den derzeitigen Konfrontationskurs mit Nachrichten und Sondersendungen. Den Schreibstil der Autorin kenne ich aus dem belletristischen Genre und bin von ihrer Sprache begeistert.
Martha Gellhorn versucht zunächst zu analysieren wie Kriege entstehen, wer einen Nutzen daraus zieht und zu wessen Lasten sie geführt werden. Der erste Abschnitt ist durchaus philosophisch und zeugt von großem Erfahrungsschatz.
Und dann geht es los, wir reisen mit der Journalistin in 50 Jahren um die ganze Welt. Wir liegen mit ihr im Schützengraben, uns fliegen an der Front Kugeln um die Ohren, wir sprechen mit Kriegsgefangenen, sind auf einem Sanitätsschiff an der Rettung Schwerverletzter beteiligt. Gellhorn erläutert uns nebenbei geschichtliche und politische Zusammenhänge um die stattfindenden Konflikte einzuordnen. Oft wird in ihren Reportagen keine Stellung bezogen, sie schlägt sich nicht eindeutig auf eine Seite, sie analysiert und beobachtet, sie berichtet über die Auswirkungen von Zerstörung und Tod, von dem Verlust von Eigentum und vertrauten Menschen auf allen beteiligten Seiten. Immer wieder sind es Begegnungen und Gespräche mit Soldaten, mit Betroffenen, mit Opfern, kleine Anekdoten, die das Lesen zu einem wahren Erlebnis machen. Es ist manches schwer zu ertragen, obwohl Martha Gellhorn ohne zu dramatisieren zumeist sachlich beschreibt. Gerüche, Geräusche, das Benehmen der Menschen, ihre Gesichter, ihr Verhalten. Sie lässt uns die Stimmungen spüren, Verzweiflung und Unverständnis, aber auch Mut.
Einzig den Zweiten Weltkrieg betreffend kann sie ihre Abscheu nicht verbergen, deutsche Soldaten und deutsche Bürger werden in so schlechtem Licht dargestellt, dass es mir als Deutsche weh tut. Ich habe immer gedacht, das war lange vor meiner Zeit, ich bin nicht schuld am Nationalsozialismus, ich habe jetzt die Verantwortung, es nie wieder so weit kommen zu lassen. Beim Lesen über die Befreiung Dachaus, den Interviews mit deutschen Bürgern und den Nürnberger Prozessen ging es mir erstmals so, dass ich verstanden habe, was damals die ganze Welt über Deutschland und Deutsche dachte, denn die Gedanken und Gefühle der heimgekehrten Soldaten und der Überlebenden des Holocausts nahmen sie mit in ihre Länder und die Horrorgeschichten sind auch nach Generationen - nachvollziehbar - weder vergeben noch vergessen.
Es ist ein wichtiges Buch von trauriger Aktualität, leise und klar, das nicht mit Effekten, Blut und Rührseligkeit nach Aufmerksamkeit schreit, sondern bedrückend im Großen und im Kleinen aufzeigt, wie das Gesicht des Krieges aussieht.
Zur Autorin Die amerikanische Journalistin, Auslandskorrespondentin und Schriftstellerin Martha Ellis Gellhorn bleibt der Welt vor allem durch ihren Einsatz als Kriegsreporterin in Erinnerung. Über mehr als 50 Jahre reiste sie zu Kriegsschauplätzen auf der ganzen Welt und schrieb alles auf. Hierbei lernte sie Ernest Hemingway kennen und lieben und wurde seine dritte Ehefrau, die Ehe hielt 5 Jahre. Was ihr Privatleben angeht, so scheint sie in Beziehungen rastlos oder glücklos gewesen zu sein, auch ihre Romane und Erzählungen drehen sich teilweise um die Fallstricke der Liebe, sie hatte einen klaren, analytischen Blick für alles, was sie umgab. Martha Gellhorn schied 1998 im Alter von 90 Jahren - schwer krank - selbstbestimmt aus dem Leben.
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